Diese Lautsprecher verfolgen mich. Hier auch überall. Man sagt das zwar nicht mehr und weder die Tschechen, noch die Slowaken möchten das hören, aber das scheint noch ein Relikt zu sein aus der Zeit aus der das Land noch Tschecheslowakei hiess. Für mich als Ausländer sehen die Verkehrszeichen überhaupt sehr ähnlich aus. Wie z.B. diese Ortseingangsschilder, die auch gleichzeitig 50 signalisieren. Klitzeklein, schwarze Schrift auf weissem Grund. Die übersieht man ganz gerne mal.
An einer Baustelle ein Riesenstau. Erst stelle ich mich hinten an und dann wird mir die Saache zu blöd. Also rechts von der Fahrbanbegrenzung dran vorbei. Als es nicht mehr weiter geht, stehe ich neben einem privaten PKW und habe schon ein mächtig schlechtes Gewissen, dass die Autos stehen müssen und ich fahren durfte. Und was macht eine der PKW-Insassinnen? Statt mich böse anzugucken bietet sie mir ein Bonbon durch’s Seitenfenster an. Gleich wieder Pluspunkte gesammelt das Land. Mein Tschechich reicht nun leider nicht für eine intensive Unterhaltung warum es schwer bis unmöglich ist, das Bonbon bis unter den Helm zu bugsieren. Aber wir haben uns ansonsten prächtig gemeinsam im Stau stehend nicht verstanden.
An einem Feld vorbeikommend habe ich den Eindruck, hier haben Riesen Ihr Spielzeug verloren.
Hier in der Tschechischen Repubublik steigt auch die Moppedfahrerdichte. Ich bekomme mein Winke-Händchen gar nicht mehr an den Lenker.
Aber ein persönliches Highlight gab es: Nachdem ich jetzt eine Weile keine Pferdekarren mehr gesehen habe: Zwei Stück gleich hintereinander weg. Und damit erklärt sich das „Einfahrt verboten“ Schild für Pferdekarren. Dag gibts hier auch.
Heute vor einem Monat bin ich losgefahren. Kommt mir ehrlicherweise gar nicht so lang vor.
Zeit für ein kleines Zwischenfazit: Lohnt. Sehr sogar. Habe schon viel gesehen, erlebt und das Muffensausen ist auch weg. So Kleinigkeiten wie kaputte Reifen, mit kindskopfgrossen Steinen „beworfen“ zu werden oder der noch nicht übersetzte Führerausweis für den Grenzübertritt zu Russland bringen mich nicht mehr aus der Ruhe. Wird sicher auch noch irgendwie klappen.
Ansonsten eine interessante Erkenntnis mehr: Wenn wir in uns in unseren „normalen Verhältnissen“ über nicht Funktionierendes aufregen, dann jammern wir auf verdammt hohem Niveau. Um ein paar Beispiele zu nennen, ich bin zumindest sehr froh,
dass ich nicht meine eigene Bettwäsche ins Krankenhaus mitbringen müsste, ich nicht dem Arzt einen Briefumschlag für die Behandlung zukommen lassen muss und dass unser Krankenhausessen zumindest essbar ist und ich nicht etwa besser eigenes Essen mitbringe (Ungarn)
dass es überhaupt ein funktionierendes Gesundheitssystem gibt, in dem man ärztliche Behandlung auch im Notfall innerhalb kürzester Zeit erhält (Bulgarien, Rumänien, Serbien)
dass ich mich nicht vor Landminen fürchten muss (Serbien)
dass ich als Fussgänger in der Regel auf einem Gehweg gehen kann und nicht auf der Strasse von Kamikaze-Autofahrern umgefahren werde (nahezu alle Länder, die ich bisher bereist habe)
So. Und nun weiter im Text.
Gleich neben der Pension war eine dieser Lautsprecheranlagen auf einem öfffentlichen Gebäude untergebracht. Die sah jetzt wirklich mal up to date aus. Später am Tag wusste ich dann bestimmt, dass die nicht aus dem Kalten Krieg übrig geblieben sind. Ich habe nämlich im Vorbeifahren Stimmen gehört. Ich bin sicher ein wenig verrückt, aber so verrückt bin ich nicht und siehe da: Die Lautsprecher sprachen. Verstanden habe ich nichts, aber den lauschenden Anwohnern nach zu urteilen, hatten sie was zu sagen. Scheinbar die moderne Form des in meiner Kindheit — die schon ein Weilchen her ist — mit dem Velo durch meinen Herkunftsort Minheim fahrenden Menschen, der die aktuellen Nachrichten vortrug.
Heute nochmal Kulturtag mit zwei weiteren Holzkirchen: Leštiny, und Tvrdošín. Lagen quasi auf dem Weg nach Prag. Erstere war recht leicht zu finden, dafür auch eher unspektakulär. Letztere war ziemlich gut versteckt. An jedem Ortseingangsschild ein Hinweis: UNESCO-Welterbedenkmal 2 km. Aber nach 2 km: Nichts. Also mal aufs Gratewohl in den Ort rein. Nichts. Leute fragen kommt aus zwei Gründen nicht in Frage: Erstens: So’n Männerding. Männer fragen nicht nach dem Weg. Zweitens: Selbst wenn ich gefragt hätte: Meine Erfahrungen sagen mir, dass ich mit Englisch nicht sehr weit komme. Falls ich verstanden worden wäre, die Antwort wäre ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. Also die offizielle Website des Slowakischen Tourismus besucht von der ich den Tipp hatte. Die sollten es wissen. Ich lande mitten in einem Wohngebiet vor einem Wohnhaus. Ich wollte schon fast aufgeben und hatte mir noch einen Versuch gegeben: Wikipedia. Und siehe da: Die korrekte Adresse liegt 450m neben der von slovakia.travel angegebenen. 450m immer noch im Wohngebiet ist ganz schön viel wenn man die Kirche nicht grade sehen kann. Die korrekte Adrese ist also: 49.336735°, 19.558147°. Und die stimmt tatsächlich auf den Meter. Dafür hat sich die Kirche dann auch gelohnt.
Wessen man sich in unseren westeuropäischen Ländern nicht so bewusst ist: Einiges Geld der EU fliesst in die Entwicklung der Osteuropäischen Staaten. Mehr als eine Strasse oder Ort habe ich gesehen, in der ein Schild darauf hinweist, dass dieses oder jenes von der EU (mit)finanziert wurde. Und was ich so beurteilen kann: Es lohnt sich. Würde aber trotzdem gerne wissen, wie das hier vor 20 Jahren ausgesehen hat. Einzig und allein die rumänischen Strassen, die sollten sie lassen. Wenn die in ein paar Jahren so gute Strassen haben wir wir, wo bleibt dann der Spass?
Der geflickte Reifen hält übrigens. Mit dem komme ich sicher locker bis nach Berlin.
Heute gabs mal ein wenig Kultur. Dafür ging’s in die slowakischen Karpaten nach Hronsek zur Besichtigung einer Artikularkirche.
Die Abfahrt aus Budapest gestaltete sich recht ereignislos wenn man mal davon absieht, dass ich erst an der Tankstelle gemerkt hab, dass die slowakische Karte auf dem iPhone Navi noch fehlt und das Ding partout WLAN für den Download haben will. Also nochmal kurz zurück ins Hotel und sicherheitshalber neben der Slowakei auch gleich die Tschechische Republik geladen. Die Karten.
An dieser Stelle Reminder an mich selbst: Länderübertritts-Liste vor Abfahrt prüfen. Nicht erst danach.
Kurz vor der Grenze dann noch die letzten 1’000er loswerden. Tanken hat nicht gereicht, also noch zu nem Penny rein, den es hier auch gibt. Immer mit dem Taschenrechner mitgerechnet, damit’s an der Kasse auch schön aufgeht. Ich habe selten so Probleme gehabt, knappe 10 € loszuwerden. Meine Beute:
Soweit so gut. Aber dann musste das ja noch alles aufs Mopped. Wer mich kennt, weiss, dass ich gut packen kann. Was nicht passt, wird passend gemacht. Ging also.
Dann Grenze zur Slowakei. Nachdem ich jetzt in den vergangenen Wochen diverse Stunden vor Grenzen zugebracht habe, fand ich das tatsächlich wieder ungewöhnlich und entspannend, dass ich einfach so durchfahren konnte. Schengen sei Dank. Keine Grenzwächter, keine Sorgen, dass dann doch noch irgendwelche Papiere fehlen. Einfach durch. Und Euro gibts in der Slowakei auch. Womit sich dann auch mal endlich mein „Wo bekomme ich nach der Grenze bloss möglichst bald lokales Geld her“-Problem gelöst hat. Willkommen zurück in Europa.
Zur Mittagspause dann an einer ruhigen Strasse halt gemacht und mit meiner Beute vollgefuttert. Kam mir so ein bisschen vor wie ein Eichhörnchen, dass sich zurück zieht, damit ihm die anderen nichts wegfressen. Das Mopped ist übrigens immer noch sackdreckig. Sieht auf dem Bild nur so sauber aus. Alles Perspektive.
Die Holzkirche von Hronsek ist tatsächlich spannend. Mittlerweile sogar UNESCO Weltkulturerbe. Gebaut 1725-26. Das war damals so ein „Katholiken schikanieren Protestanten“-Ding. Die Kirche musste ausserhalb des Ortes, ausschliesslich aus Holz also ohne Metallnägel, ohne Turm, innerhalb eines Jahres und ohne direkten Zugang zur Strasse errichtet werden. Tja. Da sieht man mal, man weiss nie wofür es gut ist. Das Ding steht heute noch. Und Römer mit einer alten topgepflegten GS waren sogar auch da mit denen ich ein Schwätzchen halten konnte. So langsam treff ich tatsächlich auch mal wieder Moppedfahrer.
Wenn ich mir die Bilder von heute aus der Slowakei so anschaue, sieht das doch alles sehr nach Feriendorf aus. Ist auch wirklich hübsch hier. Und das meine ich tatsächlich so. Und wo ein grosses 0.5l Bier 1.20 € in der Kneipe kostet, das Land ist einem doch gleich auf Anhieb sympathisch.
Velofahrer gibt es hier wie Sand am Meer. Man könnte meinen, es wäre der nationale Tag des Sports, so viele Leute wie hier joggen, Velo fahren oder Inlinern. Die Slowaken scheinen da ein eher aktives Völkchen zu sein.
Was ich allerdings noch nicht rausbekommen habe: Hier gibts an vielen Laternen- und Strommasten angebrachte Lautsprecher. Im Internet wird darüber berichtet, dass die Dinger zu Zeiten des Kalten Krieges für Propagandadurchsagen, Radioprogramme oder Musikbeschallung genutzt wurden. Manche von den Dingern sahen aber recht aktuell aus und der Kalte Krieg ist ja schon ein Weilchen her. Sachdienliche Hinweise werden demzufolge gerne entgegengenommen.
Wie schon so vieles auf der Tour, war das anders geplant. Das heisst, sofern man die Tour überhaupt geplant nennen kann. Ich fahre ja von Tag zu Tag und nur die grobe Richtung und ein paar Fixpunkte stehen fest.
Gestern Abend konnte ich noch nicht in die Tiefgarage und musste heute umparken. Und da sieht man mal wieder: Man weiss nie wofür es gut ist.
Beim Umparken meckert nämlich mein Reifendrucksensor, dass der Luftdruck im Hinterreifen zu niedrig sei. Ich bin ja dank regelmässiger Kontrolle recht gut darüber informiert, dass mein Hinterrad immer so um die 2.4 – 2.6 bar hat. 2.0 wäre also dann definitiv weit unter dem, was innerhalb der normalen Schwankungen wäre. Mir schwant Übles. Und eine schnelle Reifenkontrolle zeigt: Da ist was drin, was da nicht reingehört. Ich hab ein Reifenflickzeug dabei und könnte das reparieren und tendiere zuerst dazu, das auf die Tage zu verschieben. Aber dann überlege ich, wäre ja schade, die Druckluftpatronen zu verballern, wenn ich mit dem Reifen so noch bis zur nächsten Tanke käme. Gesagt, getan. Also den nicht vorhandenen Plan umgeplant und erstmal zu Fuss die nächste Tanke ausgespäht. Dabei ganz interessante elektrische Installationen am einem Hauseingang entdeckt.
Dank dem SwissTool X Plus, ich erwähne die Nützlichkeit dieses Multitools immer wieder gerne :-), konnte ich den Übeltäter schnell rauspuhlen. Nicht übel, was sich da so im Reifen ansammeln kann.
Dann schnell wie im Reiseworkshop des Enduropark Hechlingen gelernt, Loch mit der Ahle aufweiten, schön ordentlich und nicht zu knapp, Gummischlangen und Loch mit dem Klebstoff einkleistern, mit der Durchstecknadel die Gummischlange reinpropeln, abschneiden, Luft auffüllen. Fertig.
Morgen werde ich sehen, ob das was länger hält und ich die Anweisungen der Anleitung befolgen kann, dass man damit nur bis zur nächsten Werkstatt soll. Die ist ja quasi auch nicht weit. Nur noch 1’200 km bis Berlin. Der Reifen ist ja ansonsten noch gut.
Der Tag beginnt spannend mit der Überquerung der Strasse vor dem Hotel. 4-spurig und man darf 100 km/h fahren. Da bekommt der Begriff Blitzstart gleich mal eine besondere Bedeutung. Dafür bin ich dann auch gleich an der Grenze und ohne weiteres Aufheben in Ungarn. Die Uhr wieder um eine Stunde zurück stellen nicht vergessen. Bzw. das iPhone macht das von selbst.
Erstmal nach der Grenze mit Geld, Wasser und einem Happen für den Mittagssnack eindecken. Der Geldautomat schockiert mich zunächst etwas. Er bietet mir die Abhebungsbeträge in 10’000er Schritten an. Ungarische Forint, HUF. Die Zahlen hier sind ganz schön gross. Mein Einkauf von 6 Litern Wasser, einer Dose Pepsi, Zahnpasta, zwei Brötchen, Käse und einer Tüte Bacon-Chips kostet dann auch stolze 1’443 HUF. Das sind zum Glück grade mal 5 CHF. Womit das Ganze dann wieder recht günstig ist. Aber es war ein Coop. Und sogar diese Woche mit Wenger in der Aktion.
Auch die Sprache ist eher gewöhnungsbedürftig. Manchmal verstehe ich nur Gyros. Die Google Translate Übersetzung macht mich auch nich viel schlauer: Gyros Hambo Roasted Roast. Im richtigen Moment reicht aber Gyros — vorausgesetzt, es heisst das gleiche wie bei uns.
Dafür gibts auch hier die mittlerweile vertrauten Pferdekarren-Verboten-Schilder. Die allerdings meist gemeinsam mit Treckern und Velos verboten werden.
Und dann wieder die Frage: Die schnellere und kürzere Strecke oder die etwas längere und langsamere? Ich entscheide mich für die zweite Option und liege goldrichtig. Es geht gradewegs auf einen Männerspielplatz. 30km lange Piste zum Im-Stehen-Fahren. Dazwischen mit Gewittereinlage, damits auch nicht zu langweilig wird. Das Thermometer fällt innerhalb von ein paar Kilometern mal um 10°C. Kam mir grade recht die Abkühlung per Regen und Temperaturabfall.
Wenn man sich das Video anschaut, dann weiss man auch weshalb das Mopped von unten jetzt so aussieht, wie es aussieht. Wie hiess es die Tage noch irgendwo? Männer werden 7. Danach wachsen sie nur noch. Die Geschwindigkeit täuscht übrigens. Das liegt nur am Weitwinkel. ?
Danach wurde es weniger lustig. Plötzlich kommt schon Budapest und es sind nur noch 10 km. Einmal mehr weiss ich, warum ich wenn immer es geht, Städte mit dem Mopped meide. Für die 10 km habe ich dann auch fast eine Stunde gebraucht. Verkehrstechnisch ist Budapest voll die Pest. So viel Stau habe ich noch selten gesehen. Da ist selbst Zürich harmlos dagegen. Und Zürich finde ich schon schlimm. Aber sie haben hier auch die Rote Welle. Wenn man 50 fährt, hat man alle Ampeln rot. Wenn man im Stau steht (was meistens der Fall ist) allerdings auch. Also steht man sich so durch die Stadt. Als ich im Hotel ankomme, frage ich dir Einheimischen erstmal, ob das immer so sei. Lapidare Antwort: „Ja“.
Da fahre ich tatsächlich lieber 5’500 km durch den Balkan als einmal durch die Stadt. Die 5’500 habe ich nämlich mittlerweile gefahren.
Oh. Und scheinbar hat mich mein Eindruck nicht getrogen. Kaum bin ich wieder in einem Land, in dem sich die Leute etwas mehr um Verkehrsregeln scheren, gehts weiter. Heutige Beute: 3 x Seitenstrasse, 1 x Parkplatz. Da scheint es tatsächlich einen Zusammenhang zu geben.
Heute morgen war etwas seltsam. Ich hatte recht schlecht geschlafen. Dann komm ich runter zum Frühstück. Kein Frühstück. Keine Menschenseele. Ok, denk ich. Dann packen und los. Komm ich mit meinem Geraffel runter, schlurft die Mutter des Pensionsbetreibers um die Ecke. Im Morgenmantel und mit Kopftuch. Ich hatte spontan den Film Psycho im Kopf. Und hatte trotz der guten Erfahrungen von gestern Abend plötzlich das Bedürfnis, die Pension so schnell wie möglich zu verlassen. Meine Laune war in dem Moment nur bedingt als positiv zu bezeichnen.
Glücklicherweise hatte ich die Transalpina direkt vor der Nase. Wörtlich. Die Pension war direkt an der Strasse. Und ich glaube ich habe meine neue hochalpine Lieblingsstrasse gefunden. 108 km purer Fahrspass: Kurven, Hochgebirge, Wälder, Seen, kurze Schotterstücke und alles, was rumänische Strassen sonst noch so zu bieten haben: Kühe, Esel, Pferde, mit und ohne Wagen, mit und ohne deren Hinterlassenschaften auf der Strasse, Schlaglöcher, Bodenwellen. Meine Laune wurde schlagartig besser. Und das obwohl die Temperatur auf 14°C da oben abgekühlt ist.
Die Transalpina geht im Norden bis Sebes (Mühlbach). Danach machte die E79, die bis zur ungarischen Grenze führt einen guten Eindruck auf der Karte. Schön kurvig und immerhin eine E. Kann also nicht so schlecht sein. Wie ich heute Abend in Wikipedia nachgelesen habe, sind Europastrassen meist Autobahnen (die ich ja vermeide) aber auch seltener Bundesstrassen. Der Autor bezog sich eindeutig auf deutsche Strassenverhältnisse und war noch nie in Rumänien. Die E79 hier lässt sich am ehesten so beschreiben:
200 km Baustelle, die durch geschickt platzierte Baustellenampelanlagen zum Verweilen einlädt. Verkehrsgünstig gelegen, verbindet sie Ungarn mit Griechenland und bietet in Rumänien teils noch original erhaltene Teilstücke im Ursprungszustand. Schlaglöcher und Bodenwellen sorgen für die während der Fahrt notwendige Vertikalbewegung. In Serpentinen einspurig ausgeführte Streckenabschnitte ohne Signalisation verschaffen, insbesondere bei entgegenkommendem Gross-KFZ-Verkehr, ein ganz besonderes Erlebnis.
Bei einer dieser Bodenwellen hat meine Bodenschutzplatte ein ganz hässliches Geräuch gemacht als ich aufgesetzt bin. Offensichtlich hat sie aber ihren Zweck erfüllt: Der Motor lief danach noch einwandfrei.
Das wär alles nicht so schlimm, wenn diese Ampeln nicht wären. Rein statistisch hätte ich die Hälfte grün haben müssen. Aber Pustekuchen. Vor jeder dieser Ampeln habe ich gestanden. Das ist bei 31°C im Schatten — nur ohne Schatten. Das war nicht lustig.
So nach und nach passe ich mich also dem rumänischen Fahrstil an. Ich beginne zu verstehen. Zwar fahre ich nicht, die rote Ampel ignorierend in die Baustelle rein, aber immerhin an der Warteschlange vorbei. Einmal reichts vorne nicht und ich komme neben einem weissen Zivilwagen zum Stehen. Gucke so rein und sehe das Armabzeichen eines Strassenpolizisten. Ganz hilflos nicke ich ihm zu. Er nickt telefonierend zurück. Sache erledigt. Puh.
Immerhin bin ich jetzt kurz vor der ungarischen Grenze und es ist noch eine halbe Tagestour bis Budapest.
Aus mir unerfindlichen Gründen glaubt Google Maps, die Transfăgărășan wäre nicht durchgänig befahrbar, ist sie aber. Der westliche Schlenker gehört nicht dazu
Heute erstmal Anfahrt zur Transfăgărășan. Meine Güte, wie lang hab ich gebraucht, um die ganzen a und r in die richtige Reihenfolge beim Aussprechen zu bekommen.
Diese Umleitung auf dem Weg fand ich spannend. Drum in Lucru heisst wohl so viel wie „Strassenarbeiten“. Aber nicht etwa 7 Kilometer sondern wie man am Stopschild kurz hinter der Baustelle sehen kann, ist die Baustelle grad dahinter auch zu Ende gewesen. Das Schild war wohl noch wo übrig. Und besser zu viel, als zu wenig angezeigt.
Aber am Fuss der Transfăgărășan scheint es ein Motorradtreffen zu geben. Die Tanke ist voll. Mehr Moppeds an einer Tanke als ich die letzten Tage zusammen gesehen habe. Apopos Mopped. Ich habe ja überlegt, ob ich hier Töff oder Mopped schreiben soll. Aber nachdem der Blog nun Moppedfahn heisst, war die Entscheidung klar. Und damit auch keine Irritationen für schweizer oder deutsche Kollegen auftreten, hier eine kleine Übersetzungshilfe
Interessant auch, wie sich im Laufe der Wochen die Wahrnehmung der Dinge verändert. Wie zum Beispiel die Sache mit dem Sonnenstand. Nachdem mein iPhone-Ersatz-Navi die Karte in Richtung Fahrtrichtung dreht, statt wie jedes anständige Navi die Karte genordet anzuzeigen, bekomme ich nicht mehr mit wenn ich mal falsch abgebogen bin und in die falsche Himmelsrichtung fahre. Heute Morgen kam mir was komisch vor und irgendwie dachte ich mir so: „Du fährst in die falsche Richtung, der Schatten fällt falsch“. Und siehe da: Ich fuhr in die falsche Richtung, bzw. das Navi machte einen Schlenker erstmal woanders hin weil es dachte, das wäre besser so. Beruhigt mich, dass meine Orientierung nicht so schlecht ist, wie ich immer dachte — oder sie einfach bisher nicht gebraucht wurde.
Und dann endlich in die Berge rauf. Ich fahre ja gerne Bergstrecken. Einfach weils Spass macht. Und weil die Aussicht mitunter ganz grandios ist. Und hier besonders, weil im Flachland werde ich immer überholt weil ich mich nicht traue, mehr als 10-20 über das Geschwindigkeitslimit zu fahren. In den Bergen hat mich nicht mal einer überholt. Nicht mal Moppeds. Und das obwohl ich nie über die erlaubten 90 drüber war. Ok. Ich war auch nicht oft drunter .. 😉
Am südlichen Ende der Strecke ein Café. Komischerweise vollkommen leer. Ich war der einzige Kunde. Dabei war das Ambiente gut, der Kafee war vorzüglich und ich hab sogar noch umsonst einen Snack bekommen. Dafür gabs dann auch ein gutes Trinkgeld. Die Schafe habe ich erst beim Wegfahren gesehen. Und nicht vorher gerochen. Ehrlich!
Gleich gegenüber war ein Dr. Oetker. Sah funkelniegelnagelneu aus. Mein Cousin ist bei Dr. Oetker und sagte mir, dass die da wohl Nährmittel. Pudingpulver etc. herstellen. Und auch sonst sind sie alle hier: Lidl, Kaufland, Praktiker, Hornbach, Metro, Raiffeisenbank (die übrigens kein Geld wechselt), TUI, Jack Wolfskin, Lufthansa City Center. Um nur die zu nennen, die mir grade einfallen. Und gut, dass das hier kein komerzieller Blog ist. Da darf ich das schreiben.
Im späteren Verlauf bin ich dann im wahrsten Sinne über diese Szene gestolpert. Stilleben mit Schild, Brunnen und Heuhaufen, quasi. Aufgefallen ist mir das erstmal wegen des „Unebene Strasse“ Schildes. Wenn die hier schon davor warnen, dann muss es ernst sein. War dann letztlich nicht schlimmer, als ich das schon ohne Warnung hatte. Spassige Strassen eben. Deswegen bin ich hier.
Was mir auffällt: Egal wie arm die Orte auch erscheinen, die Kirchen sind meist herausgeputzt. Sind zwar üblicherweise klein, aber sehr fein anzuschauen. Manchmal auch in Kapelle und mit Brunnen. Selbst wenn, wie in diesem Fall, die Perspektive täuscht. Der Brunnen steht auf der anderen Strassenseite. Aber hübsch ist trotzdem anzuschaun. Der Brunnen ist übrigens in Funktion. Ich habe nachgeschaut.
Gleich daneben entsand mein Lieblingsbild von heute. Der Schäfer hat so ganz die Ruhe weg, so wirkt es.Gelandet bin ich dann mal wieder in einer schnuckeligen Pension mit Eigentümer-Taxiservice vom und zum Restaurant. Gleich an der DN67C, der Transalpina. Dann kanns morgen gleich losgehen.
Und grade bekomme ich noch die Nachricht, dass mit mein Ersatz BMW Navigator V pünklich zum Zwischenstopp in Sonneberg geliefert wird. Ich weiss, ich wiederhole mich, aber es geht nichts über guten Service. Und dafür ausdrücklich nochmal eine lobende Erwöhnung an Arrigoni Sport!