19. Juli – 312.8 km von Vranje (Врање) nach Skopje (Скопје)
Das war ganz anders geplant heute. Selbst wenn man Mautstrassen und Autobahnen vermeidet (wie ich das tu), dann sind das 130 km und hätte locker noch bis Bulgarien gereicht. Aber Serbien wollte mich nicht gehen lassen und Mazedonien wollte mich nicht haben – erstmal nicht.
Noch ein paar hundert Metern nach Start: Polizeikontrolle und ich werde rausgewunken. Na super, denke ich. Das fängt ja gut an. Ich bin mir keiner Schuld bewusst, hab fein den Tempomat aus Gewohn- und Faulheit auf 50 eingestellt, bin mit Licht gefahren und am Mopped ist alles in Ordnung. Trotzdem überkommt mich gleich das schlechte Gewissen. Was macht der Polizist? Geht einmal ums Mopped rum, nickt anerkennend und fängt ein Schwäzchen über Moppeds an. Er führe ja auch, wäre am 27.7. mit dem Mopped auf der Transfagarasan, fände mein Mopped so toll, wo ich her und hin will und was weiss ich alles. Immer mit der Übersetzunghilfe seines im Auto sitzenden und Temposünder blitzenden Kollegen, der Englisch konnte. Irgendwann frag ich, ob er irgendwelche Papier sehen wollen würde. Aber er winkt ab und wünscht mir gute Fahrt. Ich war ein wenig verdutzt. Aber nicht verdutzt genug, dass ich nicht noch nach nem Foto gefragt hätte. Und ich durfte ein Selfie mit den beiden machen. Ich weiss ja nicht, wie die serbischen Gewalten so reagieren wenn sie so Fotos im Netz fänden, daher verzichte ich drauf, das hier zu posten. Aber witzig war das Ganze schon.
Das Auswärtige Amt und das schweizer Pendent EDA machten mir mal wieder Angst mit Aussagen über militärische Sperrgebiete entlang der mazedonischen Grenze, Zäune und Krisenzustände wegen der Flüchtlingssituation, Versammlungen und Demonstrationen die weiträumig zu meiden seien. Pferdefuhrwerken auf Transitstrassen, möglichen Erdbeben und jede Menge Kriminalität. Ich studiere die Seiten jetzt schon eine Weile und nehme die Hinweise sehr ernst und bin umsichtig. Passiert ist mir von all dem allerdings noch nichts.
Ich fasse daher Vertrauen in die serbischen Strassen und hatte beschlossen, Richtung kleine Grenze durchs Gebirge nach Mazedonien zu fahren. Zwischendurch ein neuer Reichweitenrekort: 701 km und 4.4 Liter/100 km. Ging sogar noch rauf auf 709/4.3 nachdem ich schon 40 km gefahren war.
Beim Rausfahren denk ich an der serbischen Grenze noch: „Die armen Schweine. Hier ist ja wirklich nichts los.“ Beim Reinfahren-wollen nach Mazedonien bekomme ich das zu spüren und die dortigen Beamten gucken sich meine Papiere sehr gut an. Perso, Grüne Versicherungskarte, Fahrzeugpapiere. Das volle Programm. Worauf ich allerdings dann aus eigener Dämlichkeit nicht vorbereitet war und mich der eifrige Grenzbeamte sehr freundlich aufmerksam machte: Die grüne Versicherungskarte hat ein Ablaufdatum. Und das war am 1.1.2016. Shit… Ich könne eine Versicherung für Mazedonien erwerben, das ginge aber nicht an der dieser Grenze sondern nur an der Autobahngrenze. Ich müsse leider zurück. Hab ich geguckt – und ergebe mich in mein Schicksal. Die paar KM bis Vranje und dann halt auf die Autobahn, dachte ich so.
Womit ich nicht gerechnet hatte: Die Karten, die ich hatte, haben wohl schon sehr weit in die Zukunft gedacht. All die schönen Autobahnauffahrten rund um Vranje gabs nur auf dem Papier und waren noch im Bau. Komisches Konzept. Erst die Autobahn bauen, dann die Auffahrten. Letztlich musste ich fast 100 km zurück auf der Landstrasse um auf diese verf….e Autobahn zu kommen. Inklusive ein paar Ehrenrunden um Vranje weil ich einfach nicht glauben konnte, dass es keine befahrbare Auffahrt gibt.
Tja. Und das Ende vom Spiel: An der Autobahngrenze wollten sie die Versicherungskarte dann nichtmal sehen und haben mich mit Perso durchgewunken. Hat mich auch nur locker 3 Stunden gekostet, der Spass. Aber war ne schöne Gebirgsstrecke mit tollen Aussichten.
Und dann endlich in Mazedonien, das mich begrüsst, wie Kroatien mich verabschiedet hat. Da ich mich schnell der Autobahn entledige fängt der Schotter ziemlich unmittelbar an. Nach deutschen oder Schweizer Vorgaben wäre das a) nicht kartografiert weil keine Strasse b) wenn es doch kartografiert wäre, dann eindeutig als nicht befahrbar gekennzeichnet und c) gesperrt. Aber hier ist das voll der Spass und das 4.99 EUR Navi fürs iPhone, was ich mir dann doch für Notfälle geholt hatte, leitet mich da sauber durch.
In meinem jugendlichen Leichtsinn parke ich gleich mitten auf dem Weg hinter einer spannenden Brücke und denk mir so: „Da kommt doch eh keiner“. Bis ich Motorengeräusch höre und schon das Mopped auf Seite schieben will. Aber der Treckerfahrer nimmt den Weg durch den Fluss. Ist ja auch sicherer. Die Brücke könnte ja einstürzen.
Nächster Stop: Kokino eine 3800 Jahre alte Sternwarte und Tempel bzw. Ort für religiöse Rituale. Die ältesten Ausgrabungen gehen auf die Bronzezeit zurück (21. – 17. Jh. v. Chr.). Eine ganz schöne Kletterei, bis man da oben ist. Aber lohnt sich! Auf eine bestimmte Art und Weise ein mystischer Ort. Weitere Infos gibts auch im Netz unter http://www.kokino.mk/index.php/en/.
Als ich dort wieder weg bin, ist es schon fast 5 und höchste Zeit die nächste Stadt zur Jagt nach einer Nachunterkunft anzusteuern. Also bin ich heute in Skopje gelandet und fahre nicht wie geplant bis nach Bulgarien weiter.
Insgesamt mein Eindruck vom Land: Arm. Ganz schön Arm. Durch die Fahrerrei durch die Dörfer bekomme ich doch zumindest von aussen einen Einblick. Mag sein, dass ich mich durch die Durchfahrt in Serbien schon ein wenig dran gewöhnt hatte, aber so im Vergleich mit CH oder DE, da liegen schon Welten zwischen. Ich kann gar nicht alles aufzählen, woran man sieht, dass es den Leuten hier an allem fehlt. Oder einfach nur an all dem, an das wir uns gewöhnt haben und gar nicht mehr als Luxus wahrnehmen. Hab mal wieder ein kurzes Durchfahr-Video gemacht, so könnt Ihr Euch einen eigenen Eindruck machen. Das macht Nachdenklich.