20. August – 244.6 km von Beržoras nach Riga
Eigentlich wollte ich gar nicht nach Riga. Aber nachdem die Route mehr oder weniger in jedem Fall dran vorbei führt, kann ich auch mal einen Blick reinwerfen. Ein anderer Gast auf dem Campingplatz hat mir auch noch empfohlen, auf jeden Fall am Berg der Kreuze vorbeizufahren. War zwar eigentlich nicht auf der Route, aber man kann die ja spontan anpassen.
Auf dem Weg dahin konnte ich live einem Storchenporno beiwohnen. Eigentlich wollte ich ja nur ein schönes Bild vom Nest mit Störchen drin schiessen. Aber die beiden haben sich dann echt noch für mich ins Zeug gelegt.
Beim Absatteln kommt ein weiterer Moppedfahrer vorbei, der auch was länger unterwegs ist, so wie der bepackt war. Wir kommen ins Gespräch und er stellt sich als Allan vor. Ist aus Kalifornien und ist drei Monate in Europa unterwegs. Sagt, das wäre die kurze Tour. Vorher wäre er drei Jahre durch die ganze Welt unterwegs gewesen. Wir quatschen noch ein wenig und er drückt mir einen Sticker als Visitenkarte in die Hand, auf dem der Link zu www.worldrider.com ist. Noch so ein Verrückter 😉
Der Berg der Kreuze ist eigentlich ein Hügel. Aber dafür voll, über-über-voll mit Kreuzen.
Für die Weiterfahrt entscheide ich mich für die ungepflasterte Strasse. Und die wird immer ungepflasterter bis hin zum groben Feldweg. Aber alles noch fahrbar. Grade so. Und jede Menge Spass dabei gehabt.
Später, wieder auf der Landstrasse entdecke ich dann noch einen weiteren phantasievoll „geparkten“ Feuerwehrwagen bei einer Auto-Service Station.
Dann nach über die lettische Grenze. Mein erster Eindruck: Sauber und aufgeräumt. Geradezu adrett. Landstrassen grade und platt, rechts und links Häuschen die wie rausgeputzt wirken. Bis Riga geht das so. Und eine Kirche in für meine Augen sehr ausgefallenen Farben erweckt mein Interesse.
Aber dann habe ich den Eindruck, Riga mag mich nicht bei sich haben. Streckenweise Kopfsteinpflaster vom Übelsten mitsamt knietiefen Pfützen die mir eine willkommene Abkühlung beschaffen. Und plötzlich, ein paar 100 m vor dem Hotel: Strassensperre. Naja, denke ich. Fahr ich halt aussen rum und von der anderen Seiten ran. Von da auch: Strassensperre. Meine Gurkerei sieht man gut auf dem Track oben wenn man bei Riga reinzoomt.
Ich stoppe direkt vor Polizei und Militär und bin ein wenig ratlos. Als die sich so gar nicht um mich kümmern, ergreife ich die Initiative und frage, wie ich zur Adresse des Hotels komme. Die beiden Militärs gucken sich an und zucken mit den Schultern. So richtig wissen sie das auch nicht. Es entspannt sich dann ein Gepräch, in dem sich rausstellt, dass am 21. August der Unabhängigkeitstag gefeiert wird und die ganze Innenstadt gesperrt ist. Und mitten drin ist mein Hotel. Da war sie wieder, meine Länderübertritts-Checkliste, die einmal mehr des Studiums wert gewesen wäre.
Geparkt habe ich letztlich in einem Parkhaus ausserhalb der Innenstadt, aber nur 7 Minuten Fussweg vom Hotel. Den musste ich natürlich zweimal machen. Zwei Gänge brauche ich schon um abzusatteln. Dafür entschädigt mich Riga mit einer traumhaften Altstadt und das Hotel Justus war sowohl vergleichsweise günstig, unglaublich gut gelegen als auch sehr geschmackvoll mit sehr viel Liebe zum Detail eingerichtet. Bei der Renovierung wurden wohl auch ein paar alte Zeitungen gefunden — in deutsch aus dem Jahre 1873.
Und zum Schluss noch ein paar Eindrücke vom nächtlichen Riga. Für mich ein Geheimtipp. Nicht so überlaufen wie Prag, sehr gemütlich Abends zum draussen sitzen und Essen, Strassenmusiker an jeder Ecke, die zum einen echt was drauf haben, meist klassische Instrumente spielen und sich dazu auch noch angenehm im Hintergrund halten. Man geht aber quasi stets in Musik, ohne dass es jemals lästig würde.