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Tag 116 – Kitsch

27. Oktober – 233.8 km von Sant Julià de Lòria nach Saint Lary Soulan

Eigentlich wollte ich ja durch Andorra durch. Aber nachdem es da nur eine Strasse durch gibt und die nach Osten weg geht, entscheide ich mich für den geordneten Rückzug. Das was ich so gesehen habe, da ist Andorra ähnlich zugebaut wie Monaco. Unglaublich, was und wie die da bauen. Da bekommt das Wort Hochhaus gleich nochmal eine andere Bedeutung.

Hochhäuser in AndorraImmerhin gehts nochmal ein ganz klein wenig einen Abstecher in die Berge. Und weil dort kein Platz ist, sind die Steigungen und Serpentinen entsprechend spassig. Weil die ja viel mehr Höhe in viel weniger Kilometern überbrücken müssen.

Església de Sant Cerni, Nagol, AndorraWeiter gings dann Richtung Port de la Bonaigua wieder in die spanischen Pyrenäen. Oben treffe ich ein Bündner Pärchen, die mit mir so ziemlich alleine da hoch gefahren sind.  Ausser ein paar Autos war die Strasse uns. Wir unterhalten uns ein wenig und sie bieten mir an, ein Foto von mir, dem Mopped und dem Pass-Schild zu machen. Als sie Ihre Maschinen wegfahren, um Platz für’s Foto zu machen höre ich plötzlich ein Geräusch, das mir sehr vertraut vorkommt. Da liegt die Maschine auf der Seite und auf die Frage: „Was war denn das?“ Gibts mit einem herzhaften Lachen nur zurück: „Der Ständer …..“. Bin ich froh, dass nicht nur mir das passiert.

Aber das Fotos ist fein geworden. Mein erster 2000er auf der Tour – glaube ich. Oh. Und die Fahrt da hoch war der Hammer. Definitive Empfehlung!

Port de la Bonaigua, Katalonien, SpanienWeiter dann in Richtung Col de Peyresourde. Trotz der Empfehlung von Motorrad Online fand ich den Port de la Bonaigua viel besser und der steht noch nichtmal auf deren Top10-Liste. Aber so sind die Geschmäcker verschieden.

Aber eins muss man den Pyrenäen im Herbst bei gutem Wetter lassen: Unfassbar schöne Landschaft. Mehr als einmal wäre ich sicher zum Verkehrshindernis geworden, wenn Verkehr gewesen wäre, weil ich nur geglotzt hab wie die Kuh gestern. Die Farben sind manchmal richtig kitschig. Wenn ich das auf einem Foto sehen würde, hätte ich sicher gedacht, da hätte jemand nachgeholfen.

Dann wieder ab Richtung Frankreich. Nochmal einen Abstecher. Geht sicher die nächsten Tage noch ein paar Mal hin und her. An der Grenze winken mich freundliche Kontrolleure durch, wie immer. ‚Grenze‘ bestand darin, dass ich auf der Karte gesehen habe dass da eine ist. Und natürlich weil die freundlichen Herren da standen. Aber kein Schild, kein nichts. Ich frage mich auch, was die da kontrolliert haben.

In Frankreich dann wieder das allabendliche Restaurant-Spiel: Viertel nach sieben: Restaurant leer. Kurz vor acht: Restaurant brechend voll. Die Franzosen sind da sogar scheinbar viel pünktlicher als die Schweizer. Oder die Schweizer sind smarter: Warum sollte man dann gehen, wenn alle anderen auch gehen?

Aah. Und eine Inspektion habe ich. Am 31.10. in Pamplona. Da hab ich ja noch ein paar Tage um hier rumzufahren 🙂

 

 

Tag 115 – Trau keiner Kuh über 60

26. Oktober – 259.5 km von Prades nach Sant Julià de Lòria

Heute also nach Andorra. Dem Namen nach dem Albtraum meiner Jugend. Wer musste das Buch vom Schweizer Max Frisch nicht in der Schule lesen? Spätestens mit dieser Lektüre hat unser Deutschlehrer, den letzten Funken Interesse am Fach Deutsch in mir nachhaltig getötet. Macht nichts, dafür haben viele andere Lehrer das geweckt was in mir steckt. Allen voran unser Informatik- und Physiklehrer, auf den ich heute immer noch grosse Stücke halte.

Le Tech, Languedoc, FrankreichDer Abschied von Frankreich fällt mir wirklich schwer. Der Aufenthalt der letzten neun Tagen hat mir viele neue Facetten des Landes gezeigt und die meisten davon waren ausserordentlich positiv. So langsem werden wir Freunde. Hat ja auch lange genug gedauert. Erstaunlich auch, wie viel von meinem Schulfranzösisch noch hängen geblieben ist. Zum Glück. Sonst wäre ich wohl sang- und klanglos untergegangen und hätte sicher nicht so viele postive Eindrücke mitgenommen. Merke: Wer den Zugang zu Land und Leuten bekommen möchte, dem hilft es ungemein, wenn man die Sprache kann oder sich zumindest bemüht. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten in anderen Ländern wären natürlich rein zufällig.

Für die Route nach Andorra wähle ich den langen Weg drumrum, auch wenn ich die ersten Teilstrecken schon gestern gefahren bin. Aber 118 km wären wirklich zu lachhaft gewesen. Und ich wollte ja unbedingt mindestens eine Nacht hier sein.

Die spanische Grenze ist erstaunlich unspektakulär. Oder ich bin einfach mittlerweile grenzmüde. Immerhin ist das mein 32. Grenzübergang für diese Tour. Zunächst bin ich nicht so begeistert von den spanischen Strassen. Im Vergleich zu Frankreich empfinde ich sie eher langweilig. Aber dann später drehen die Spanier voll auf und ich habe grossen Spass auf Pässen bis auf 1’800m rauf.

Komisch fühlt es sich aber doch an, durch Skigebiete fährt, die sich langsam auf die Saison vorbereiten und ich selbst bin noch auf dem Weg in den Nach-Sommer. Wobei ich mich schon wie Bolle auf eine volle Saison in Engelberg als Snowboardinstruktor bei BOARDLOCAL freue.

Kuh auf der Strasse bei Tosos, Katalonien, SpanienDie Kuh stand da schon, als ich um die Kurve kam und es hätte nicht viel gefehlt und ich hätte Kuhragout aus ihr gemacht. Jetzt weiss ich auch, warum hier 60 km/h ist. Aber sie glotzt unbeweglich und gibt mir sogar noch Zeit, die Handschuhe auszuziehen und ein Foto zu machen. Ganz kurz kommt mir der Gedanke, irgend ein Witzbold hätte eine Kuh-Attrappe auf die Strasse gestellt. Aber dann bewegt sie sich doch.

Im weiteren Verlauf des Tages gibt es atemberaubende Ausblicke und ich freue mich auf die nächsten Tage in den Pyrenäen.

Molló, Katalonien, Spanien Aussicht bei Alp, Katalonien, SpanienBleibt nur noch den Termin für die 50’000er Inspektion mit der Route abzustimmen. Das gestaltet sich genau so schwierig wie in Norwegen. Aber ich bin zuversichtlich, dass irgend eine Werkstatt passend auf der Route aufzutreiben ist.